Der Public Value des Journalismus

Mit Splitting der ORF Gebühren zu nachhaltiger Qualität in den Medien. - Journalismus ist die vierte Säule einer Demokratie. Legislative, Exekutive und Justiz müssen unter öffentlicher Beobachtung stehen, damit eine Republik funktioniert, dies kann nicht alleine die Aufgabe des Rechnungshofes sein. Daher haben viele Staaten einen öffentlichen Rundfunk sowie Presseförderung eingerichtet. Der ORF erhält mehr als 500 Millionen Euro an Gebühren pro Jahr [1], kämpft jedoch mit einem steten Schwund an Hörern und Sehern. Und die Presseförderung war hiezulande mit 14 Millionen Euro [2] immer nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Die Schweiz hat 2006 ein Gebührensplitting eingeführt: 4% der SRG-Gebühren gehen an andere Anstalten - ist dies auch ein Modell für Österreich, um die Meinungsvielfalt zu sichern?

Der Berufsstand der JournalistInnen ist überall gefährdet: Redaktionen werden aufgelöst und Inhalte werden von Content-Lieferanten geliefert. Schnelle Informationen sind heute billig, doch Qualität bleibt teuer. Ob ein Beitrag gut recherchiert oder von einem PR Artikel abgeschrieben wird, ist den Medienproduzenten zunehmend egal. Qualitätsjournalismus heisst aber, hinter die Kulissen zu schauen, investigativ vorzugehen, sich für eine Geschichte Zeit nehmen zu können und zum rechtzeitigen Moment aufzudecken. Das ist mitunter unangenehm für die Politik, aber das Elixier einer lebendigen Demokratie.

Die Medienlandschaft befindet sich nicht nur auf der Seite der Produzenten, sondern vor allem auch bei jungen Nutzern in einem rasanten Umbruch. Wenn sich heute eine halbe Million Österreicher in Social Networks wie Facebook tummeln oder einen eigenen Blog schreiben, dreht sich der Selektionsmechanismus um. Nicht mehr die Medien bestimmen, was relevant ist, sondern wir vertrauen zunehmend unseren Freunden, die als soziale Filter auch im Internet für uns auswählen, was lesenswert ist.

Öffentlich-rechtliche Medienanstalten wie SRG, ARD oder ZDF untersuchen den eigenen Public Value und wollen ihre Strategie danach neu auszurichten. Im Falter 31/09 schlägt Matthias Karmasin in einem Gastkommentar diese Vorgehensweise auch dem ORF vor, um eine inhaltliche und organisatorische Korrektur abzuleiten. Schon am 18. Dezember 2009 soll ein neues ORF Gesetz beschlossen werden, da bleibt wenig Zeit, um einen solchen Prozess voranzuschalten.

Stattdessen könnten wir in das neue ORF Gesetz eine medienpolitische Innovation für einen qualitativen Journalismus verankern. Mit dem wenig entwickelten dualen Markt, der starken Konzentration im Printsektor und der Konkurrenz aus Deutschland bietet sich für Österreich an, einen Schwerpunkt auf gute Inhalte zu setzen, die regional produziert werden. Die Medienförderung
von 5 Millionen Euro, die seit diesem Jahr für 100 Privatsender zur Verfügung stehen, ist nur eine Beruhigungspille, denn angepeilt waren zumindest 20 Millionen [3].

Die Innovation für die Medienförderung wäre leicht erklärt: Wenn den JournalistInnen ihr Status abhanden kommt, dann sollen sie ihre Produktionsmittel selbst in die Hand nehmen und Anbietergemeinschaften formieren. Über Ausschreibungen könnten sie wenigstens teilweise ihre Autonomie zurückerhalten. Die Abwicklung könnte sich an das Modell der Forschungsförderung anlehnen, wo ebenfalls Themen zur Bearbeitung ausgeschrieben werden: Über einen Zeitraum von zum Beispiel drei Jahren bekommen gute JournalistInnen die Möglichkeit, sich um ein bestimmtes Themengebiet zu kümmern und Geschichten für verschiedene Medien aufzubereiten. Der Erfolg eines Teams wird von einer Jury regelmässig nicht nur daran gemessen, wieviele Leute sie mit ihren Inhalten erreichen, sondern auch wie hoch die öffentliche Relevanz oder die Qualität ihrer Arbeit ist. Bei der Auswahl der Teams und bei der Überprüfung deren Leistungen sollten Kriterien zum Public Value angewendet werden, welche freilich auch für dieses Modell noch zu erarbeiten wären.

Die Teams würden sich nicht nur über öffentliche Ausschreibungen finanzieren, sondern könnten auch mit Medienhäusern Abnahmekontingente vereinbaren oder Inhalte frei unter einer Creative Commons Lizenz im Internet zur Verfügung stellen. Verlage, Privatradios oder der ORF würden sich so auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, nämlich Marketing und Vertrieb. Journalisten könnten so Kooperationen etwa mit Dokumentarfilmern eingehen und Kino, TV, Radio, Web und Print im In- und Ausland zugleich betreuen. Damit wird sichergestellt, dass die Gebühren auch dort ankommen, wo sie den höchsten Impact haben: in der Vielfalt der Aufbereitung qualitativer Inhalte in allen geeigneten Medien.

Profitieren würde davon auch professionelle Blogger. Mancherorts ergänzen sie schon heute die regionale Berichterstattung, besonders dort, wo es absolute Medienkonzentrationen gibt. In Vorarlberg syndizieren 50 Blogger auf „vorarlblog.at“ ihre Berichte. Dieses Zero-Budget Projekt ist ein schlichtes Portal, das mittlerweile beachtliche Zugriffszahlen vorweisen kann und wesentlich dazu beiträgt, dass heikle Themen hinter dem Berg hervorgeholt werden. Mit dem hier beschriebenen Modell würden gute Blogger eine Finanzierung erhalten und vorarlblog auch in anderen Regionen Nachahmer finden. Vielleicht ist dies auch eine Perspektive für ORF JournalistInnen, die sich ausserhalb des ORF weiterentwickeln wollen. Und der Mediamil-Komplex müsste nicht mehr zerschlagen werden, wenn wir die Abhängigkeit von Inhalt und Medien ein Stück weit entkoppeln.

[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Geb%C3%BChren_Info_Service
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Österreichische_Presseförderung
[3] http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20090422_OTS0115

Dieser Text erscheint auch in The Gap:
http://www.thegap.at/rubriken/stories/artikel/der-public-value-des-journalismus/

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